Mein Mandant ist ein mutiger Mann. Als Einzelunternehmer mit allen dazugehörigen wirtschaftlichen Risiken hat er sich eine auf August 2018 datierende wettbewerbsrechtliche Abmahnung der rs reisen & schlafen GmbH nicht gefallen lassen und bat mich, gegen die Abmahnerin vor Gericht zu ziehen und das Nichtbestehen eines Unterlassungsanspruchs und des Kostenerstattungsanspruchs, welcher sich die rs reisen & schlafen GmbH gegenüber meinem Mandanten berühmte, feststellen zu lassen. Er hatte ein seltsames Gefühl nach Erhalt der Abmahnung, recherchierte und bat mich schließlich ganz unaufgeregt, am Landgericht Hamburg eine negative Feststellungsklage gegen rs reisen & schlafen GmbH zu erheben. Gesagt getan, noch im September 2018 verließ die Klage die Kanzlei.
Starke Indizien für Rechtsmissbrauch
Die Sache hatte bereits eine Vorgeschichte, die zumindest in meiner Kanzlei bis Februar 2018 zurück reicht. Seither waren hier tatsächlich über 100 Abmahnungen der rs reisen & schlafen GmbH aufgelaufen. Verschiedene Zeugen berichteten unabhängig voneinander, dass dem aber kein regulärer Geschäftsbetrieb gegenüber stünde. Buchungsanfragen blieben stets unbeantwortet. Auch bei der Geschäftsadresse am feinen Hamburger Ballindamm existierte lediglich ein Schild und ein Briefkasten, aber kein Reisebüro. Anfragen beim Center-Management des beherbergenden Europacenters stützten diese Erkenntnis. Auch das renommierte Branchenmagazin FVW konnte trotz eingehender Recherchen keinen Geschäftsbetrieb der rs reisen & schlafen GmbH feststellen. Die Zahl der ausgesprochenen Abmahnungen erhöhte sich hingegen auf über 240, so dass man sich unweigerlich fragen musste: Ist die rs reisen & schlafen GmbH eine reine Abmahngesellschaft?
Odyssee vom Landgericht Hamburg zum Landgericht Frankfurt am Main
Angriff ist die beste Verteidigung, dachte sich wohl rs reisen & schlafen, und konterte die negative Feststellungsklage meines Mandanten mit einer eigenen Leistungsklage, verklagte also meinen Mandanten aktiv am Landgericht Frankfurt am Main. Wegen dieser vorrangigen Leistungsklage war das Hamburger Verfahren erledigt, so dass mein Mandant in Frankfurt am Main plötzlich vom Angreifer zum Verteidiger, also zum Beklagten wurde. In der Sache ging es um nicht vorhandene Impressumsangaben und Abmahnkosten von knapp 600,00 Euro. Wir waren aufgrund des Hamburger Verfahrens aber gut aufgestellt und konnten daher auch in Frankfurt argumentativ einiges „in die Waagschale“ werfen.
Landgericht Frankfurt am Main: Kein Wettbewerbsverhältnis
Das Landgericht Frankfurt stellte in seinem am 23.08.2019 verkündeten Urteil (Az. 3 – 10 O 9/19) nun fest, dass zwischen meinem Mandanten und der rs reisen & schlafen GmbH kein Wettbewerbsverhältnis bestehen würde. Die rs reisen & schlafen GmbH würde keine Dienstleistungen eines Reisebüros beziehungsweise solche der Reisevermittlung erbringen. Der gesamte Vortrag der rs reisen & schlafen GmbH wäre zu vage gehalten und es sei nicht eine einzige Buchung nachgewiesen worden. Folglich hätte die rs reisen & schlafen GmbH weder einen Unterlassungsanspruch noch einen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten gegenüber meinem Mandanten. Leider verhält das Urteil sich nicht zum Thema Rechtsmissbrauch, welches wir im Rahmen des Prozesses eingehend gegenüber dem Gericht behandelt hatten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann von der rs reisen & schlafen GmbH noch mit der Berufung angegriffen werden. Ich stelle es dennoch hier im Volltext bereits jetzt zur Verfügung:
Rechtsanwalt Tobias Kläner