Kammergericht Berlin: Fernunterrichts­schutzgesetz ist NICHT anwendbar im B2B-Verkehr

Streit um ein Widerrufsrecht

Das Kammergericht Berlin hat in einer dort anhängigen Berufungssache den Parteien des Rechtsstreits einen Hinweis erteilt, der es in sich hat. Die dortigen Parteien stritten um die Wirksamkeit eines Widerrufs eines Vertrags nach Fernabsatzrecht. Das Landgericht Berlin gelangte in erster Instanz zu der Auffassung, dass die dortige Klägerin Unternehmerin gewesen sei und damit nicht berechtigt war, den mit der Beklagten geschlossenen zu widerrufen. Aufgrund der Unternehmereigenschaft der Klägerin läge kein Fernabsatzvertrag, sondern ein Vertrag zwischen zwei Unternehmer/innen vor.

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Klägerin beruft sich in zweiter Instanz auf FernUSG

Damit gab sich die in erster Instanz unterlegene Klägerin jedoch nicht zufrieden und legte Berufung gegen dieses Urteil beim Kammergericht ein. In der Berufung vertrat die Klägerin wohl erstmals die Auffassung, dass es auf eine etwaige Unternehmereigenschaft gar nicht ankäme, weil das Fernunterrichtsschutzgesetz anwendbar wäre. Ihr stünde deshalb aus § 4 FernUSG ein Widerrufsrecht in Verbindung mit § 355 BGB zu. Das Kammergericht wies die von einer Kölner Kanzlei vertretene Klägerin in einem aktuellen Hinweis vom 22.06.2023 darauf hin, dass sie zu den Voraussetzungen der Anwendbarkeit des FernUSG in der ersten Instanz vor dem Landgericht Berlin nicht ausreichend vorgetragen hätte. Darin liegt ein Hinweis des Kammergerichts auf den Novenausschluss des § 531 Abs. 2 ZPO. Die Möglichkeiten, in der Berufungsinstanz neue Tatsachenaspekte vorzutragen, werden von der Zivilprozessordnung (ZPO) stark beschränkt.

Kammergericht: OLG Celle liegt falsch

Im nächsten Absatz des Hinweises arbeitet sich das Kammergericht dann mit erstaunlicher Deutlichkeit am viel zitierten Coaching-Urteil des OLG Celle vom 1.3.2023 – 3 U 85/22 ab. Dessen Argumentation sei „wenig überzeugend“ Denn nach der Gesetzesbegründung des FernUSG sollte das FernUSG den Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes sichern und sich einreihen in die gesetzgeberischen Bemühungen zum Schutz von Verbrauchern. Eine Anwendbarkeit der FernUSG auf Unternehmer/innen käme daher nicht in Betracht. Ein Blick in die ursprüngliche Gesetzesbegründung BT-Drs. 7/4245 stützt diese Auffassung:

Im FernUSG selbst wird nicht ausgeführt, ob unter „Teilnehmer“ oder „Lernende“ nur Verbraucher/innen im Sinne des § 13 BGB oder auch Unternehmer/innen gemäß § 14 BGB zu verstehen sind. Diese im Gesetz fehlende Klarstellung wurde in der jüngeren Vergangenheit, u.a. vom OLG Celle, zur Begründung herangezogen, dass der Gesetzgeber keine Begrenzung der Anwendbarkeit nur auf Verbraucher/innen vornehmen wollte, Unternehmer/innen also gleichermaßen unter das FernUSG fallen würden. Ausweislich der ursprünglichen Gesetzesbegründung erweist sich diese Annahme aber als falsch, so dass der Auffassung des Kammergerichts zuzustimmen ist.

Vorsicht vor irreführender Werbung im Internet

Der hier behandelte Hinweis des Kammergerichts wurde unserer Kanzlei von der Beklagten des dortigen Verfahrens überlassen. Wir sind nicht an diesem Verfahren beteiligt. Auffällig ist, dass im Internet zwar das Urteil des OLG Celle stark beworben und dieses für die Mandantenakquise genutzt wird. Vom entgegenliegenden Hinweis des Kammergerichts lesen wir bislang aber nichts. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Allen Rechtssuchenden sei vor diesem Hintergrund zur Vorsicht geraten. Manchmal ist Werbung selektiv, irreführend und eben auch unlauter. Und ob sich am Ende die Auffassung des Kammergerichts oder des OLG Celle durchsetzen wird, hat demnächst der Bundesgerichtshof zu entscheiden, wenn er die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das nicht rechtskräftige Urteil des OLG Celle zulassen sollte.

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