OLG München: FernUSG im B2B-Verkehr unanwendbar – Zoom Vertrag ist wirksam

Wirksamer Coachingvertrag über Zoom
Sehr deutliche Worte zum Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes kommen nun vom Oberlandesgericht München. Das von unserer Kanzlei für die Klägerin erstrittene Berufungsurteil stellen wir unterhalb des Artikels allen Interessierten zum Download bereit. Das OLG München bestätigte mit Urteil vom 17.10.2024 – Az. 29 U 310/21 das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München I vom 16.12.2020 (Az. 11 O 13517/19). Ein Schauspieler hatte zuvor bei unserer Mandantin ein Coaching im beruflichen Kontext gebucht und entrichtete die an unsere Mandantin vereinbarte Vergütung nicht.
Im Prozessverlauf behauptete der Beklagte zunächst wahrheitswidrig, dass gar kein Vertrag mit unserer Mandantin zustande gekommen wäre. Glücklicherweise konnte unsere Mandantin den aufgezeichneten Zoom-Call dem OLG München als Beweismittel vorlegen. Die Videoaufzeichnung wurde vom Gericht in Augenschein genommen und für wirksam befunden:
„Soweit der Beklagte geltend macht, ein Vertrag sei mangels Einigung über die sog. essentialia negotii nicht zustande gekommen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Kongruenz der Willenserklärungen muss sich zwar mindestens auf die essentialia negotii beziehen. Zu diesen gehören beim Dienstvertrag aber nur die Vertragsparteien und die zu erbringende Leistung, da die anderen wesentlichen Vertragsbestandteile durch Ergänzungsnormen wie die §§ 269, 271, 243 Abs. 2, 620 und 621 bis 623 BGB vervollständigt werden (BeckOGK/Maties, 1.5.2024, BGB, § 611, Rn. 82, 83). Über diese wesentlichen Bestandteile des Vertrags fand im Rahmen des Zoom-Calls gemäß Anlage K 4 eine Einigung zwischen den Parteien statt, da einvernehmlich geklärt wurde, dass der Beklagte als Einzelunternehmer unter seiner Firma Vertragspartei wird und die seitens der ebenfalls eindeutig identifizierten Klägerin zu erbringenden Leistungen klar umrissen und so akzeptiert wurden, so wie sie der Geschäftsführer der Klägerin durch Aufzählung der einzelnen Module sowie der Zusatzleistungen in Form der Zoom-Meetings unter Einschluss von anderen Kunden und der direkten Unterstützung per WhatsApp-Kontakt dargestellt hat. Diesbezüglich äußerte der Beklagte ebenfalls sein Einverständnis. Übereinstimmend gehen die Parteien in Anlage K 4 auch von einer Tätigkeit des Beklagten als Schauspieler aus, deren Vermarktung durch die Lern- und Beratungsinhalte gefördert werden soll, so dass sich eine fehlende Willensübereinstimmung auch nicht aus unterschiedlichen Auffassungen über den Bezugspunkt der Leistungen, nämlich der Selbstvermarktung als Schau-spieler, ableiten lässt.“
FernUSG zwischen Unternehmern nicht anwendbar
In der zweiten Instanz kam der Beklagte dann auch auf die Idee zu behaupten, dass der Vertrag mit unserer Mandantin nichtig wäre, weil es sich bei den Vertragsinhalten um Fernunterricht im Sinne des § 1 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) handeln würde. Das Oberlandesgericht München erteilte dieser Idee jedoch eine sehr deutliche Absage indem es feststellte, dass eine Anwendung des FernUSG auf Unternehmer/innen, also im B2B-Verkehr, aufgrund der sehr deutlichen Gesetzesbegründung zum FernUSG ausgeschlossen sein muss:
„Auch eine Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1, 12 Abs. 1 FernUSG aufgrund der unstreitig nicht vorhandenen behördlichen Zulassung des streitgegenständlichen Coaching-Programms der Klägerin kommt nicht in Betracht. Der persönliche Anwendungsbereich des FernUSG ist im hier maßgeblichen Verhältnis zu einem Unternehmer als Coachee nicht eröffnet.
Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich ersehen, dass mit dem aus dem Jahre 1975 stammen-den FernUSG nach dem Verständnis des Gesetzgebers versucht werden sollte, Defiziten bei der Verschaffung eines Marktüberblicks für Fernunterricht und bei der Vergewisserung über die Zweckmäßigkeit und Eignung von teilweise sehr aufwendigen Fernlehrgängen Rechnung zu tra-gen und den Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes zu sichern. Das Gesetz sollte sich in die übrigen Bemühungen zum Schutz der Verbraucher wie z.B. das Abzahlungsgesetz und die Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, des Rechts der Reiseveranstalter oder der Immobilienmakler einreihen (BT-Drs. 7/4245, Seite 13, linke Spalte, erster und zweiter Absatz). Der Gesetzeszweck des Verbraucherschutzes wurde vom Bundestag auch deutlich im Hinblick auf Anregungen des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren hervorgehoben, so bezüglich der Anwendung von § 139 BGB (BT-Drs. 7/4245, Seite 32, linke Spalte, zweiter Absatz) sowie im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes (BT-Drs. 7/4245, Seite 34 unter „Zu 10. a) und b) (§§ 10 und 11)“). Für die fehlende Anwendbarkeit des – Seite 10 –
FernUSG auf Unternehmer als Lernende spricht auch § 4 Satz 1 FernUSG, da dort auf § 355 BGB verwiesen wird, der den Verbraucherwiderruf normiert. Der Ansicht, dass das FernUSG lediglich auf Verbraucher anwendbar sein soll, entspricht zudem die gegenwärtige Regelung des § 3 Abs. 3 FernUSG, wonach bei einem Fernunterrichtsvertrag zu den wesentlichen Eigenschaf-ten, über die der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB zu informieren hat, dort näher bezeichnete Aspekte gehören (vgl. KG BeckRS 2023, 41873; LG Frankfurt/M. BeckRS 2023, 36846 Rn. 71; LG München I MMR 2024, 696 Rn. 43; Nomos-BR/Vennemann, FernUSG, 2. Aufl., § 3, Rn. 4).“
Zuvor hatte bereits das Kammergericht Berlin am 22.6.2023 einen ähnlich lautenden Hinweis erteilt. Und vor zwei Tagen, am 6.11.2024, verneinte schließlich auch das Oberlandesgericht Nürnberg in Bezug auf den Reseller CopeCart eine Anwendbarkeit des FernUSG im B2B-Verkehr mit einem sehr deutlichen Urteil.
Das OLG Celle hatte ursprünglich die Diskussion über die Anwendbarkeit des FernUSG mit seinem Urteil vom 1.3.2023im B2B-Verkehr eröffnet. Die Celler Auffassung findet in der obergerichtlichen Rechtsprechung jedoch kaum noch Zustimmung und ist seither massiv korrigiert worden. Mittlerweile existieren die folgenden obergerichtlichen Urteile und Beschlüsse, die eine Anwendung des FernUSG auf Coaching-Verträge mit den unterschiedlichsten Argumenten ablehnen:
- OLG München, Urt. v. 17.10.2024
- OLG Nürnberg, Urt. v. 5.11.2024 – Az. 14 U 138/24
- OLG Köln, Urt. v. 6.12.2023 – 2 U 24/23
- OLG Hamburg, Urt. v. 20.2.2024 – 10 U 44/23
- Kammergericht Berlin, Hinweis vom 22.6.2023 – 10 U 74/23.
Verfahrensbeteiligung von KLÄNER Rechtsanwälte – brauchen Sie auch gute Verträge?
Wie oben bereits erläutert hat unsere Kanzlei die Klägerin im Verfahren vor dem OLG München vertreten. Auch im vorgenannten Verfahren vor dem OLG Köln haben wir die dort siegreiche Klägerin vertreten können. Beide Oberlandesgerichte haben bestätigt, dass die von uns für unsere Mandanten entworfenen Zoom-Verträge wirksam sind und nicht unter das FernUSG fallen. Die Konzipierung der Verträge reicht dabei auf Zeitpunkte zurück, als das FernUSG in Coaching-Kreisen noch gar kein rechtlich relevantes Thema gewesen ist.
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